danah boyd: it’s complicated – Wozu und wie Jugendliche soziale Netzwerke nutzen

Warum verhalten sich Jugendliche für uns Erwachsene oft so seltsam unvernünftig, wenn sie online sind? Warum stellen sie Privates so freizügig ins Netz? Wie leicht werden sie von sozialen Netzwerken abhängig? Wie sieht es mit sexueller Gewalt und mit Cybermobbing aus? Können soziale Medien die soziale Spaltung aufheben? Wie vertraut ist die Generation der „Digital Natives“ tatsächlich mit dem Internet?

Die amerikanische Medienwissenschaftlerin danah boyd (die Autorin selbst schreibt ihren Namen klein) geht diesen und anderen Fragen in ihrem neu erschienen Buch „it’s complicated“ nach. Auch wenn die über zehn Jahre dauernden Studien der Autorin sich auf die USA beziehen, treffen viele Aussagen genauso auf europäische Jugendliche zu.

„it’s complicated“ ist als Buch nicht kompliziert. Es liest sich sehr gut und flüssig. Die Autorin setzt darin den Nutzen, den sich Jugendliche von sozialen Netzwerken erwarten mit den Sorgen und Ängsten der Eltern in Beziehung. Dazu stellt sie viele interessante Bezüge zu Entwicklungspsychologie, familiären Abkopplungsprozessen, soziologischen Studien und eigenen Beobachtungen her. Das Buch hinterfragt landläufige Vorurteile und zeigt dabei auf, welche Gefahren sich aus ihnen ergeben können, etwa beim Thema „sexuelle Gewalt“ oder bei der Annahme, alle Jugendlichen seien „Digital Nativs“.

its complicated

danah boyd:
It’s complicated
296 Seiten in Englisch
Yale University Press, 2014
ISBN-13: 978-0300166316
Bewundernswert ist der unvoreingenommene Blick der Autorin. Sie setzt das Verhalten und die Motive der jugendlichen Online-Nutzer in Bezug zur Jugend früherer Generationen und weist auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede der jeweiligen Lebenswelten hin. Sie regt den Leser an, nicht nur die Schwierigkeiten der Online Nutzung zu sehen, sondern auch das Lernpotential zu beachten. Gleichzeitig nimmt sie uns Erwachsene in die Pflicht, die Nutzung dieses Potentials den Jugendlichen genauso zu vermitteln wie die Risiken und sie so zu mündigen Nutzern von sozialen Medien zu erziehen. danah boyd gehört zu den Erwachsenen, die Jugendlichen offen und vorurteilsfrei begegnen. Nur so gelingt es ihr, beeindruckend ehrliche Interviews mit ihnen zu führen. Der (erwachsene) Leser wird dabei immer wieder eingeladen, die Sichtweise der jugendlichen Nutzer einzunehmen. Dadurch eröffnen sich neue Perspektiven.

Insofern stimmt der Titel: Der Sachverhalt ist zu „complicated“, um sich vorschnell ein Bild von der Situation zu machen – wer das möchte, sollte lieber zu populistisch vereinfachenden Angstbüchern wie „digitale Demenz“ greifen. Es wäre zu simpel, alle Jugendlichen über einen Kamm zu scheren. Vielmehr fordert das Buch auf, eigene Vorurteile hinten an zu stellen und mit den Kindern und Jugendlichen zu reden – über ihre Motive, das Internet zu nutzen, über Chancen und Risiken, über die Sorgen, die man als Eltern und PädagogInnen hat und wie man gemeinsam zu guten Lösungen kommen kann.

Laut den US Zeitschriften Time und  Fortune zählt danah boyd zu den einflussreichsten DenkerInnen und AkademikerInnen im Bereich Technologie und Gesellschaft. Sie ist eine US-amerikanische Medienwissenschaftlerin und Sozialforscherin, deren Arbeit sich im Schnittpunkt von Technologie, Politik und Gesellschaft bewegt. Boyd ist leitende Wissenschaftlerin bei Microsoft Research, Associate Professor für Media, Culture, and Communication an der New York University und Fellow am Berkman Center for Internet & Society der Harvard University. Seit 2013 ist sie Präsidentin des Data & Society Research Institute in New York.

Schade ist, dass dieses interessante Buch nur auf Englisch vorliegt.
Schön ist, dass man es sich unter http://www.danah.org/itscomplicated/ kostenlos herunterladen kann.

Mai 13th, 2014 | By | Category: Literatur und Links

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