Der Bilderatlas – eine neue, alte, vielfältige Methode für Einzelne und Gruppen

Ein Artikel von Ralf Bräutigam

 

Der Bilderatlas eignet sich gut als Einstieg in ein Fotoprojekt, bei dem die Wahrnehmung und die Entwicklung einer eigenen Bildsprache im Vordergrund stehen sollen. Die Methode kann bei Projekten mit allen Altersstufen eingesetzt werden und funktioniert ohne Abwandlung bei Grundschulkindern ebenso gut wie bei erwachsenen Teilnehmern.

In Gruppenarbeit werden schnell verschiedene Arten der Bildkomposition, der Farbgestaltung oder andere Aspekte der Bildästhetik identifiziert. Erfahrungsgemäß entstehen lebhafte Diskussionen zu diesen Themen. Anhand der Kriterien, die man als Impuls für den Bilderatlas gibt, kann man wunderbar lenken, unter welchem Aspekt die Bilder wahrgenommen werden.

Als Material braucht man lediglich einen Vorrat an Fotos, die man z.B. auf einem Tisch oder dem Boden auslegt. Die Gruppe sucht sich dann ja nach Fragestellung die für sie passenden Fotos heraus und bringt sie zueinander in Bezug. Es ist faszinierend, wie unterschiedlich die Bilder wahrgenommen und arrangiert werden, je nachdem unter welchem Aspekt man sie betrachtet. Die Erfahrung zeigt, dass die Fotos auf dem Tisch Bilder im Kopf erzeugen, die man anschließend im Fotovorrat sucht. Die Fotos erzeugen wiederum neue Bilder im Kopf…

Der Bilderatlas ist ursprünglich eine kulturwissenschaftliche Methode zur Strukturierung von Bildern. Eingesetzt hat sie erstmals Aby Moritz Warburg im Jahr 1924 in seinem Mnemosyne-Atlas in dem er durch die Zusammenstellung von Bildmaterial der abendländischen Kunst typische Ausdrucksformen katalogisieren wollte. Bei der Bilderatlasarbeit werden Bilder nach bestimmten Kriterien oder Kategorien geordnet und arrangiert. Warburg tat dies, in dem er die Bilder an große Schautafeln pinnte und immer wieder umarrangierte.

Ein weiterer Anlass für den Bilderatlas könnte ein Fotostory-Projekt sein. Mit ganz einfachen Aufträgen wie „Romanze“ oder „Krimi“ sollen die Teilnehmer aus den vorhandenen Bildern eine Geschichte zusammen spinnen. So manchem Jugendlichen hilft es, sich von den Bildern inspirieren zu lassen, um damit eine Geschichte zu erfinden, die zu einer Story für einen Fotocomic wird.

Auch als Methode zur Gruppenfindung ist der Bilderatlas wunderbar geeignet. Spannende Ergebnisse lassen sich auch erzielen, wenn man zwei Gruppen gleichzeitig mit unterschiedlichen Aufträgen am gleichen Bildmaterial arbeiten lässt.

Wer anfängt, mit dem Bilderatlas als Methode zu experimentieren, wird schnell auf eigene gute Einsatzmöglichkeiten kommen. Ausprobieren lohnt sich!

 

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Zum Autor dieses Beitrags: Der Dokumentarfilmer und Kulturpädagoge mit Schwerpunkt Fotografie Ralf Bräutigam führt regelmäßig Foto- und Videoprojekte mit unterschiedlichen Zielgruppen durch. Er leitet den Schwerpunkt Film und Video der Zusatzausbildung Kulturpädagogik des Bayerischen Jugendrings und ist als Referent im Schwerpunkt Fotografie und Fotokunst dieser Ausbildung tätig.

Mrz 11th, 2019 | By | Category: Ideen und Tipps

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